Dienstag, 20. Mai 2008

Bankenkrise – es kann noch blutig werden

Welche Folgen hat die Bankenkrise für die Realwirtschaft? Eine neue Studie von Internationalem Währungsfonds und Bank für Internationalen Zahlungsausgleich lässt Schlimmes fürchten. Turbulenzen im Bankensektor beschädigen gerade in hoch entwickelten Industrieländern den wirtschaftlichen Wohlstand beträchtlich, stellen die Forscher fest.

Für Alan Greenspan besteht kein Zweifel mehr: „Rückblickend wird die derzeitige Finanzkrise in den USA wohl als die schmerzlichste seit dem Zweiten Weltkrieg gewertet werden“, schrieb der ehemalige US-Notenbankchef Mitte März in einem Gastbeitrag für die „Financial Times“.

Offen bleibt bislang die Frage, wie stark die Turbulenzen in der Finanzbranche die Realwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen werden. Eine » im März in „American Economic Review“ veröffentlichte Studie lässt Schlimmes ahnen.

Valerie Cerra von Internationalen Währungsfonds und Sweta Chaman Saxena von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kommen zu dem Schluss: Turbulenzen im Bankensektor beschädigen gerade in hoch entwickelten Industrieländern den wirtschaftlichen Wohlstand beträchtlich – und das über einen lang anhaltenden Zeitenraum.

Die Studie beschäftigt sich zwar nicht direkt mit den aktuellen Finanzkrise in den Industrieländern, sondern wertet Erfahrungen der vergangenen 40 Jahre aus. Überträgt man aber die Ergebnisse auf die derzeitige Situation, dann spricht einiges dafür, dass die nächsten Jahre ökonomisch ziemlich ungemütlich werden.

Cerra und Saxena haben für 190 Staaten und den Zeitraum 1960 bis 2001 untersucht, welche Folgen Banken-, Finanz- und Staatskrisen für Wachstum und Wohlstand der betroffenen Volkswirtschaften hatten. Die Forscherinnen betrachten nicht nur, wie tief die unmittelbaren Wachstumseinbußen waren. Sie analysieren auch, wie lange es dauerte, bis sich die Ländern von den Folgen wieder erholt hatten.

Das Ergebnis hat es in sich: Wenn die betroffenen Länder überhaupt die Folgen einer Währungs- oder Bankenkrise überwinden können, dann brachen sie dafür Jahre, stellen Cerra und Saxena fest. Ihr Fazit: „Produktionseinbußen, die mit Finanzkrisen verbunden sind, erweisen sich als hochgradig persistent.“

Nun mag man spontan einwenden, dass doch auch die längste Krise irgendwann ein Ende hat und das Wirtschaftswachstum dann wieder anspringt. Dieses Argument aber geht am Kern des Problems vorbei. Denn der alleinige Blick auf die Wachstumsraten führt in die Irre. Um die ökonomischen Folgen einer Krise beurteilen zu können, ist auch die Höhe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in absoluten Zahlen entscheidend.

Am besten lässt sich das Phänomen mit einem Zahlenbeispiel illustrieren. Stellen Sie sich ein Land vor, dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) heute 1 000 Mrd. Euro beträgt. Bei einem jährlichen Wachstum von drei Prozent würde das BIP bis 2018 auf 1 344 Mrd. Euro klettern.

Was passiert aber, wenn das Land im ersten Jahr in eine Finanzkrise gerät und das BIP um fünf Prozent schrumpft? Selbst, wenn sich die Wirtschaft schnell erholt und nach einem Jahr wieder mit drei Prozent wächst, läge das BIP im Jahr 2018 nur bei 1 240 Mrd. Euro. Um den durch die Finanzkrise verursachen Wohlstandsverlust innerhalb von zehn Jahren aufzuholen, müsste die Wirtschaft nach der Krise jährlich um fast vier statt um drei Prozent wachsen.

Solch eine Aufholjagd aber findet in der Realität so gut wie nie statt, stellen Cerra und Saxena fest.

Die beiden Wissenschaftlerinnen unterscheiden in ihrer Untersuchung die Auswirkungen von Banken- und von Währungskrisen. So kostet eine Währungskrise ein Land im Schnitt rund vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung. In Industrieländern führt Chaos auf dem Devisenmarkt zu geringeren Einbußen als in Entwicklungsländern. Weder reichen noch armen Staaten gelingt es laut Cerra und Saxena allerdings, diese Einbußen innerhalb von zehn Jahren wieder auszugleichen.

Doch Währungskrisen muten fast noch harmlos an im Vergleich zu Bankenkrisen. Wenn Banken eines Landes nachhaltig ins Trudeln geraten, kostet das die Wirtschaft im Schnitt 7,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung, stellen die Wissenschaftlerinnen fest. Was die Sache noch dramatischer macht: In hoch entwickelten Industriestaaten haben Bankenkrisen in der Vergangenheit besonders großen Schaden angerichtet.

Der ökonomische Super-Gau tritt ein, wenn es gleichzeitig bei den Banken und auf dem Devisenmarkt brennt. In solchen Fällen bricht das BIP im Durchschnitt um zehn Prozent ein und erholt sich innerhalb von zehn Jahren nicht. Angesichts der chronischen Schwäche der US-Währung, die nach Ansicht mancher Beobachter in einem regelrechten Dollar-Crash münden könnte, ist dies ein besonders beunruhigendes Resultat.

Was sich aus den historischen Erfahrungen für die aktuelle Finanzkrise schließen lässt, das diskutieren Cerra und Saxena nicht. Aus ihren Ergebnissen lassen sich aber folgende Schlussfolgerungen ziehen: Langfristig muss die Bankenaufsicht so gut sein, dass es gar nicht erst zu einer Krise kommt.

Wenn aber – wie momentan – das Finanzsystem ernsthaft wackelt, dann sollten Geld- und Fiskalpolitik alles daran setzen, um das Ausmaß der Krise zu minimieren. Angesichts des Gefahrenpotenzials erscheinen auch ordnungspolitisch an sich fragwürdige Aktionen durchaus angemessen – zum Beispiel die Rettung einzelner Geldhäuser durch die Zentralbank wie im Falle Bear Stearns oder drastische Zinssenkungen trotz Inflationsrisiken.


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